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Es ist nicht Chodschali, was sie zeigen

Dana Mazalowa

Interview von Dana Masalowa mit der Zeitung „Голос Армении“ (Golos Armenii)

Auf diesen Gast haben wir sehr lange gewartet: von jener Zeit an, als in der Welt die niederträchtigen Lügen über Ereignisse in Chodschali ausgebreitet wurden. Dana Masalowa, die bekannte tschechische Journalistin, Autorin von vielen Filmen und Veröffentlichungen, ging den  ganzen Berg-Karabach-Krieg durch, arbeitete in anderen Krisengebieten. Ausgerechnet Masalowa gelang es  im März 1992 die Aufnahmen des aserbaidschanischen Kameramannes und Fernsehjournalisten Tschingis Mustafajew, die er Ende Februar nicht weit von Aghdam aufgenommen  hatte, zu sehen.

Golos Armenii: Dana, wann und wie begannen Sie sich für unsere Region, für Armenien, zu interessieren?
Dana Masalowa: Ich war in Armenien zum ersten Mal 1982. Einer meiner Kollegen hatte mir eine Reise mit dem Auto nach Sowjetunion vorgeschlagen, und ich hatte, kurz entschlossen, die Reiserute nach Eriwan gewählt. Diese Entscheidung war nicht zufällig: vor einem Jahr hatte ich als Geschenk das Buch „ Armeniens architektonische Denkmäler“ bekommen. Den größten Eindruck hatte auf mich Goschawank gemacht: Auf den verschiedenen Plätzen in der Kirche standen junge Männer und sangen die armenischen altertümlichen Lieder. Das war unvergesslich: Die ausgezeichnete  Akustik und die erschütternde Musik.

Und damals hatten mich noch die armenischen Augen verblüfft. Es kommt mir vor, dass in ihnen ein eigenartiger Ausdruck erstarrte, den ich für mich als „triumphierende Demut“ bezeichnete.

Ich mag in die Augen der Menschen, die sehr alten Nationen angehören, schauen. Es gibt eine Theorie, deren zufolge die Barbaren die zivilisierten Nationen aus den Tiefebenen in die Berge verdrängten. So war es auch in Kaukasus. Und hier, meiner Ansicht nach, gibt es im Allgemeinen etwas zauberhaftes und unerklärliches. In Karabach kann man die Alten treffen, die kaum lesen können. Aber sie tragen in sich solche Weisheit, welche alle Universitäten der ganzen Welt nicht beibringen können.

Armenien ist für mich eines der Zentren der europäischen und christlichen Kultur.
Darum war es für mich selbstverständlich, hierher während des Erdbebens und des Krieges einzureisen und als Journalistin die Ereignisse festzuhalten. Ich fuhr ständig zwischen Eriwan, Stepanakert, Baku und Moskau. In dem Versuch, den Krieg von den beiden Seiten zu zeigen, saß ich sowohl in den armenischen als auch in den aserbaidschanischen Schützengräben.

Golos Armenii: Wie haben Sie zum ersten Mal über die Ereignisse in Chodschali erfahren?
Dana Masalowa: Ich habe es im April 1995 in einem Artikel in der tschechischen Wochenschrift REFLEX dargelegt. Mein Freund, der aserbaidschanische Kameramann und Journalist, Tschingis Mustafajew, zeigte mir bei sich zu Hause in Baku Rohvideomaterial, das er im Februar in der Gegend von Aghdam aufgenommen hatte. Ich möchte besonders betonen, dass Tschingis Mustafajew der einzige Kameramann war, der die dort umgekommenen  Menschen aufgenommen hatte. Aber die Bilder, die Mustafajew mir gezeigt hatte, haben nichts gemeinsam mit den Videos und Fotos, die die aserbaidschanische Seite der ganzen Welt als seine präsentiert.
Tschingis ist dorthin mit dem Hubschrauber geflogen und hat einen Teil der Getöteten abtransportiert, um sie zu begraben. Das waren die Leichen der Türk-Mescheten, die sich ungefähr 10 Kilometer von Agdam befanden. Sie waren bekleidet und unversehrt. Das Territorium war unter der aserbaidschanischen Kontrolle. Und mitten in den Leichen sah Tschingis einen Mann in der Uniform, der vor dem aserbaidschanischen Hubschrauber keine Angst gehabt hatte. Das alles habe ich auf den  Bildern von Mustafajew gesehen. Als er zurückkam, um die übrigen Leichen mitzunehmen, staunte er über die Änderungen in ihrem Zustand: Die Leichen waren skalpiert.

Golos Armenii: Die aserbaidschanische Seite stellt zur Schau die schrecklichen Bilder von nackten und vergewaltigten Kinder, von den verunstalteten Frauen. Hatte Tschingis Mustafajew solche Bilder?
Dana Masalowa: Ich wiederhole: In den Videoaufzeichnungen von Mustafajew war keine Spur von den nackten Frauen und Kindern, von den skalpierten Männern. Was aber  ich mir gut gemerkt habe, dass die Knie der Toten durchgeschossen waren. Mustafajews  erster Beruf war Arzt. Deshalb hat er sofort begriffen, dass diese Menschen langsam und qualvoll starben, sie verbluteten. Und er hat vermutet, dass sie aus nächster Nähe, auf die Knie gezielt, erschossen wurden. Irgendjemand hat diese Menschen absichtlich getötet. Aber ich kann nicht sagen, in welcher Absicht. Ich sage nur das,was ich selbst gesehen habe.

Golos Armenii: Hat Tschingis Mustafajew diese Aufnahmen in irgendwelcher Weise kommentiert?
Dana Masalowa: Das wäre schwer zu kommentieren. Er hat mir nur gesagt:“Hast du verstanden?:
Ich kann mich jetzt nur mit einer kugelsicheren Weste durch Baku fortbewegen“. Sie wissen doch, dass Mustafajew ein paar Monaten später getötet wurde. Er hat sogar seinen Tod, wie ein wahrer Profi, aufgenommen. Er hatte die Kamera in den Händen, als er einen Schuss in den Rücken bekommen hatte. Und er hat das Objektiv der Kamera sofort auf sich selbst gerichtet.

Golos Armenii: Wo können sich jetzt, Ihrer Meinung nach, Mustafajews wirklichen Aufnahmen  befinden?
Dana Masalowa: Sie können, aller wahrscheinlich nach, im Archiv des Fernsehkanals  sein, wo Mustafajew gearbeitet hat. Man muss sie suchen.

Golos Armenii: Am 2. April 1992 wurde in der Zeitung "Независимая газета" ( Nesawißimaja Gaseta ) Ihr berühmtes Interview mit  Ajas Mutalibow publiziert, das tatsächlich Licht in die Geschehnisse in Chodschali gebracht hat.  Wie ist es Ihnen gelungen, Mutalibow zu interviewen?
Dana Masalowa: Ausgerechnet das Material von Chingiz Mustafajew hat bei mir Fragen zu Mutalibow verursacht, der, wie Sie wissen, gleich nach den Ereignissen in Chodschali zumb Rücktritt gezwungen wurde. Und  außerdem ist es für einen Journalisten völlig logisch, den gestürzten Präsidenten zu interviewen.

Golos Armenii: Mutalibow hat nachher seine eigenen Worte über das Vorhandensein des humanitären Korridors für den Ausgang der friedlichen Bewohner widerlegt.
Dana Masalowa: Das ist seine Angelegenheit. Ich weiß, dass er das gesagt hat. Und das können die Mitarbeiterinnen der Zeitung „Nesawißimaja Gaseta“, die das Interview entschlüsselt haben, und die Kollegen Journalisten, die das Interview gehört haben, bestätigen. Wie ich weiß, sind  die Kassetten  auch aufgehoben. Ich kann ergänzen, dass man in Aserbaidschan ausgerechnet mir, einer Journalistin, die Schuld an diesem Interview gegeben hat. Man meint dort, dass ich diese Frage nicht stellen durfte. Das heißt: Ich bin schuld daran, dass ich mich von den Normen der demokratischen Journalistik leiten lasse.

Golos Armenii: Sind Sie nachher in Ihrer Dokumentation zu diesem Thema zurückgekommen?
Dana Masalowa: Für den tschechischen Zeitungsleser ist das alles nicht interessant. Nur  im Zusammenhang mit der Gegenwart bekommt dieses Thema eine Aktualität. So ist es vor kurzem in der kleinen tschechischen Stadt Liditz passiert. Die Bevölkerung dieser Stadt wurde in den Jahren des Zweiten Weltkrieges von den Nazis völlig vernichtet. Zum Andenken an die Opfer ist hier eine  Gedenkstätte errichtet worden. Ich habe erfahren, dass am 26 Februar in Liditz eine Aktion  vorbereitet wird, die mit Chodschali verbunden ist. Ich habe bei meinen Freunden  um Rat  gefragt und ich habe mich entschieden  hinzufahren. Leider hat die tschechische Seite die Zuverlässigkeit der Materialien, die die Aserbaidschaner geboten haben, nicht geprüft. Jedoch durch die Einmischung der Botschaft der Republik Armenien ist es gelungen,  die Ankunft einiger eingeladener tschechischer Amtsträger (zum Beispiel des Ministers für Kultur) zu vermeiden. Ich habe den Vorsitzenden der aserbaidschanischen Organisation, den Herrn Nasarow, gefragt:“ Woher stammen diese Fotos, die Sie für die Fotos von Mustafajew ausgeben?“ Ich habe eine Rede vor dem Bürgermeister von Liditz, den Mitarbeitern des Museums und den Versammelten  gehalten und über alles, was mir über Chodschali bekannt war, mit Hilfe von Fakten und Zitierungen erzählt. Und ich habe noch dazu gesagt, dass diese Aktion eine Verhöhnung der Opfer des Faschismus ist. Das ist unzulässig. Wir wollen nicht, dass jemand unsere Denkmäler und unser Gedenken für eigene schmutzige Zwecke  und noch mit Hilfe der Fälschungen ausnutzt.

Golos Armenii: Und jetzt erlauben Sie, dass wir das Interview damit beenden, womit wir angefangen haben: über die Existenz eines besonderen Seelenadels in Armenien. Fühlen Sie diesen Seelenadel  jetzt auch?
Dana Masalowa: Mir scheint, dass Sie diesen Seelenzustand verlieren. Und der Prozess hat gleich nach dem Erdbeben begonnen. Wenn es nichts zum Essen gibt, ringsherum kalt und dunkel ist, und das Land sich in der Blockade befindet; ist es schwer, die Kultur in sich selbst  und im Verhalten zum Mitmenschen zu bewahren. Und noch der Krieg, der nie spurlos vergeht und weitreichende Folgen hat. Kurz könnte ich es eine Herabsetzung der Sensibilität fürs Erlaubte  nennen. So geschieht es in Russland nach dem Tscheschenienkrieg, wo Majore Jewsjukow erscheinen; in Bosnien. Das ist auch für Armenien und Aserbaidschan bezeichnend. Die Menschen gewöhnen sich, dass alles erlaubt ist. Das moralische Niveau sinkt. Der sittliche Verfall kommt. Das sind leider die unvermeidlichen Folgen des Krieges.


P.S.Im Verlauf  unseres Treffens mit Dana Masalova geschah eine interessante Episode. In der Hotelhalle erschien Thomas de Waal, Buchautor vom „ Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War“, und interessierte sich dafür, wer vor der Kamera spricht. Wir erklärten ihm, dass das die tschechische Journalistin ist, die  erzählt, was ihr über die  Geschehnisse in Chodschali bekannt ist. Die Reaktion von De Waal, der sich   Forscher der Berg-Karabach-Frage nannte und mit einer vernünftigen Miene allen riet, wie die  Frage gelöst sein solle, war überraschend: Aus irgendeinem Grund wurde er nervös, zog sich zurück und zeigte kein Interesse an diesem Thema. Was für ein „Forscher“ und „Experte“! Er weiß offensichtlich schon alles über die Realitäten des Berg-Karabach-Krieges...

Siehe auch:

Auszug aus dem Interview mit Ramis Fatalijew

Aussagen der aserbaidschanischen

Ajas Mutalibow. Verbannt aus Aserbaidschan wegen der Wahrheit über Chodschali

"Wie logen die aserbaidschanischen Behörden"

Tschingis Mustafajew – Held oder Fälscher?

Chodschali: Chronik einzigartiger Fälschungen und Falsifizierungen


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